In den Tagen der Angepasstheit, wo das Essen nicht mehr blutet, die Habenichtse hingegen schon, drehen die Autoren der Edition Groschengrab den Mist des Lebens zu Perlen. Worte suchen ihren Weg ins Freie. Die Edition Groschengrab hat es sich zur Aufgabe gemacht sie einzufangen. Die Buchdeckel müssen einladend sein, denn die Texte sind widerspenstig und eigenwillig: Sie gehen nicht mit Jedem. Das Anliegen ist, ihnen einen bequemen Platz einzurichten, wo sie sich gerne lesen lassen.

AUS DEM GROSCHENGRAB

Literarisches & Aktuelles

Der Fensterputzer vom Elfenbeinturm

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Als ich damals in den Elfenbeinturm gezogen bin, habe ich mir keine großen Gedanken über die Nachteile gemacht. Es ist eine extravagante Adresse, die Leute stellen sich Wunder was vor, aber fast niemand kommt, um es sich anzusehen. Die selbstgewählte Einsiedelei imponiert vielen Menschen, ganz im Gegensatz zur Einsamkeit, zu der man von den gleichen Menschen verdammt wird, weil man abstehende Ohren und Mundgeruch hat, einem in Gesellschaft die Gedanken nicht ordentlich aus dem Kopf wollen oder es einem an Anmut fehlt. Über all diese Verdächte bin ich erhaben, seit ich den Turm bewohne. Das Geländer der Wendeltreppe rutsche ich…

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Pauls Polterabend

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Was ziehst du denn zu Pauls Polterabend an? Hast du dir schon Gedanken gemacht? Ich denke seit Tagen an nichts anderes mehr. Erst wollte ich mein Gouda-Kostüm tragen, aber dann fiel mir ein, dass ich eben dieses schon auf der Beerdigung von seiner vorletzten Frau anhatte, also muss ich mir etwas anderes überlegen. Ich will doch keine alten Wunden aufkratzen. Erinnerst du dich vielleicht, was ich zum letzten Polterabend trug? Ach, da war ich gar nicht, sagst du? Stimmt ja, ich mochte das Motto nicht. Ich fand ‚Einmal ist keinmal‘ irgendwie unpassend und nicht besonders geschmackvoll. Und die Frau mochte…

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Das Nähkästchen der schweigenden Oma

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Das Nähkästchen meiner Oma ist bis zum Rand gefüllt mit Schweigen. Und nicht nur das Nähkästchen. Aus Schränken und Schubladen quillt Unausgesprochenes und Regalbretter biegen sich unter der Last unerzählter Geschichten. Und nicht nur meine Oma hortet Worte. Alle Frauen meiner Familie haben stets jeden verfügbaren Raum mit ihrem Schweigen gefüllt. Wenn Schweigen Gold wäre, wir wären unbeliebter gewesen als eine jüdische Bankiersfamilie. Nur aus ihren Augen sprach leise ein unstillbarer Hunger und ein unheilbarer Schmerz. Die Männer waren verrückt nach ihnen, aber sie waren nur verrückt nach sich selbst. Dieses Erbe trage ich, auch wenn es mir nicht behagt….

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Halbwertszeit der Konsequenz

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Zwischen Pfosten kühle Stille. Mein Netz, zitternd vor Ungeduld, fängt kein Morgenlicht, nur Schatten ein. Garten, ein ungelebter Traum jenseits der Risse. Welt voller Grün, ferne Symphonie von Farben, bleibt mir versperrt, verbotene Melodie in fremdem Takt. Gedanken schweben, Seide als Faden entlang der Zeit gesponnen. Warum bleibt mir die Blättervogelschau verwehrt? Erinnerung verblasst, nur Konsequenz, ein bleiches Gespinst aus vager Schuld, vielleicht ein Jagdspiel, ein zu keckes Abenteuer. Kein Echo erinnert, Fesseln ragen. Warten hoch oben in der Ecke der Vergessenheit. Draußen Flügelschlag, Flattern von Freiheit ohne Maschen. Netz bleibt leer, Geduld still knisternd wie gefangener Tau. Halbwertszeit gestriger…

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