In den Tagen der Angepasstheit, wo das Essen nicht mehr blutet, die Habenichtse hingegen schon, drehen die Autoren der Edition Groschengrab den Mist des Lebens zu Perlen. Worte suchen ihren Weg ins Freie. Die Edition Groschengrab hat es sich zur Aufgabe gemacht sie einzufangen. Die Buchdeckel müssen einladend sein, denn die Texte sind widerspenstig und eigenwillig: Sie gehen nicht mit Jedem. Das Anliegen ist, ihnen einen bequemen Platz einzurichten, wo sie sich gerne lesen lassen.

AUS DEM GROSCHENGRAB

Literarisches & Aktuelles

Wen man vor sich hat

By

McMurphy spuckt seine Zigarettenkippe mit einem Schluck Rotwein aus und verzieht das Gesicht, als ob ihm der Wein nicht schmeckt. „Schmeckt dir der Wein nicht?“, fragt Gabriele Pelzfuß. Am Wein gäbe es nichts auszusetzen, antwortet McMurphy, es sei die Weltlage, die ihm das Gesicht verzöge. Weil man als Staatsmann sein Verhalten daran anpassen müsse, wen man vor sich habe. Früher sei das Gang und Gäbe gewesen, jeder Bezirksrat habe das gewusst, aber heute, mit den ganzen Flitzpiepen, die hätten keine Ahnung, wie man sich auf dem internationalen Parkett bewegt. Gabriele Pelzfuß wirft sich das Poliertuch über die Schulter und stellt…

Read More

Der Bär hat Hunger

By

Mich interessiert der Alltag der Leute, ich will wissen, wie sie ihre Tage verbringen. Als Schriftsteller habe ich keinen Alltag, es sei denn ich stecke mitten in einem neuen Roman, aber wann ist das schon? Mit den Jahren erfuhr ich einiges über den Jedentag anderer Menschen: ich lernte von Bettlern und Straßenzeitungsverkäufern, wo die besten Plätze sind, wann die besten Stunden. Ich lernte, wie man das Ordnungsamt umgeht, wenn es doppelköpfig, dickleibig und uniformiert durch die Straßen zieht, mit einem Maßband in der Hand, um Abstände von Bistrotischen zu Bordsteinkanten zu ermitteln. Dann kam ich irgendwann zu Geld. Nicht viel,…

Read More

Stummes Blut

By

Die Frau im weißen Kittel klopft mit dem Finger auf die Armbeuge und zieht die Brauen zusammen. „Sie haben aber keine schönen Venen“, sagt sie mit fröhlichem Tadel in der Stimme. Ophelia Pelzfuß betrachtet neugierig ihren Arm. „Man sieht doch gar nichts. Wie kann etwas unschön sein, wenn man es gar nicht sieht?“, erwidert sie und wünscht sich sogleich, sie hätte nichts gesagt. Die Frau im weißen Kittel wird denken, Ophelia sei neunmalklug und dann wird sie schlechte Laune bekommen und sich keine Mühe geben mit ihrer Nadel und Ophelia wird tagelang einen dicken, blauen Fleck mit sich herumtragen. Die…

Read More

Tanz mit dem Esel

By

Professor Ekelhard, seines Zeichens Koryphäe und Autorität von europäischem Ruf in allerlei Dingen und virtuoser Taschenbillardkünstler, wurde auf drei Kontinenten gleichsam für seine Eloquenz bewundert und seiner scharfzüngigen Analysen wegen gefürchtet. Weniger bekannt war seine Obsession für Esel. Nicht etwa im zoologischen oder körperlichen Sinne, oh nein! Ekelhards Esel waren metaphysisch, Allegorien auf die menschliche Dummheit, die er so innig verachtete und doch so faszinierend fand. Eines Nachts, in seinem Arbeitszimmer, umgeben von Sukkulenten, Folianten und dem süßlichen Duft von Mottenkugeln, hatte er eine Erleuchtung. Er würde mit dem Esel tanzen! Nicht wortwörtlich, versteht sich. Ekelhard imaginierte einen Esel, so…

Read More