Für Viktor Mundschenk war das Leben eine Plage. Er tat sich schwer, morgens aus dem Bett zu kommen und nachts einzuschlafen. Alles dazwischen gelang ihm selten, weshalb er sich scheute, bei neuen Bekanntschaften seinen Vornamen zu nennen. Nicht, dass er viele Leute kennengelernt hätte. Viktor Mundschenk buk gewöhnlich ein ungewürztes Eigenbrot, das er ohne Belag und in Einsamkeit verzehrte. Nur hie und da gönnte er sich eine Weinbrandbohne, und wenn die scharfe Süße seine Backen füllte, wünschte er, es gäbe jemanden, mit dem er diesen seltenen Genuss hätte teilen können. Eines Tages überfiel ihn eine tollkühne Stimmung. Er packte ein paar Weinbrandbohnen in ein silbernes Etui, schlüpfte in seine guten Schuhe und ging zum Ball der einsamen Herzen.
Der Abend neigte sich dem Ende zu und die Putzleute lungerten bereits ungeduldig mit Wischmopp und Eimer hinter den Vorhängen herum, als er in dem schmalen Gang, der zur Toilette führte mit einer kartoffelchipsblonden, dünnen Dame zusammenstieß, die missmutig auf ihre Fingernägel starrte. Zunächst reagierte sie zurückhaltend auf Viktors Avancen, doch als er das Futteral mit den Weinbrandbohnen hervorholte und ihr eine anbot, schmolz ihr Widerstand dahin, und sie glitt seufzend in seine Arme. Die beiden versanken in einem zuckrig-schnapsigen Kuss, und das Reinigungspersonal wagte es nicht, das Paar zur Seite zu schieben. Als der Morgen graute, standen die beiden, an den Lippen zusammengewachsen, in einem Herz aus Schmutz.