Veränderungen

Als Kind plagten mich andere Sorgen und Nöte als heute. Niemals sprach ich diese Sätze über Fischers Fritz oder die langsame Kellnerin nach, aus Angst vor einer gebrochenen Zunge und die Furcht vor der Pest raubte mir den Schlaf. Orangenhaut fand ich hingegen begehrenswert, denn ich mochte es wohlriechend und farbenfroh. Nun warte ich gespannt auf das Alter, das gewiss neue Ängste für mich bereithält und mich über die heutigen lächeln lassen wird.

„Wer will schon zweiundachtzig werden?“, fragt meine Nachbarin, eben erst alt genug, um wichtige Dokumente zu unterzeichnen.

„Jemand, der einundachtzigeinhalb ist“, gebe ich ihr zur Antwort, bevor ich schnell die Wohnungstüre hinter mir schließe, um meine Behauptung nicht mit Argumenten untermauern zu müssen.

Ich habe nämlich keine Argumente. Die sind mir schon vor langer Zeit ausgegangen und in dem Laden, wo früher der Argumentenhändler war, befindet sich heute ein Schönheitssalon. Da ich von Natur aus anmutig und gut gewachsen bin, habe ich für Kosmetik keine Verwendung. Trotzdem habe ich einmal aus Neugier den Laden betreten, nur um zu sehen, was dort feilgeboten wird, wo sich einst die Regalbretter unter der Last der zu bunten Päckchen verschnürten Argumente bogen.

Eine mürrische Dame ohne jeden Liebreiz wollte mir die Wimpern färben und die Oberlippe enthaaren, das sei gerade im Angebot. Dabei hat kein Mensch Haare auf der Oberlippe und die eigenen Wimpern kann man nicht sehen. Ich schnaubte verächtlich und verließ das Geschäft.

Ich hätte schwören können, dass mein Schnauben die Härchen auf meiner Oberlippe erzittern ließ. Aber das kann ja gar nicht sein.