In den Sommerferien, wenn die anderen Kinder ins Freibad gingen, musste ich in der Worttrennerei meines Onkels aushelfen. Er war ein Bison und daher in der Familie nicht sonderlich beliebt. Beim Essen hingen seine Zotteln in die Teller und Schüsseln. Wenn ihm fad war, scharrte er unter dem Tisch mit den Hufen und beschädigte die Auslegeware. Die Worttrennerei befand sich im hinteren Teil seines Stalls. Dort saß ich den lieben langen Tag, zu meinen Füßen ein Sack mit Wortpaaren. Vor mir ein Töpfchen und ein Kröpfchen, in das ich die vor Schmerz und Angst brüllenden Worthälften legen musste. Hüben und drüben, kreuchen und fleuchen, Krethi und Plethi. Was immer ich aus dem Sack fischte, zerteilte ich ohne Barmherzigkeit mit einer Geflügelschere. Ich war ein Kind und wusste es nicht besser.
Die brauchbaren Teile verkaufte der Bison an eine Bibeldruckerei. Die bedeutungslosen durfte ich abends an die Silbenfischchen im Keller verfüttern, denn die mussten ordentlich fett werden, und das klappte nur, wenn sie genug Vokale und Umlaute bekamen. Der Handel mit Silbenfischchen war verboten, doch da sie bei der Hautevolee als Delikatesse galten, machte mein Onkel ein Vermögen damit.
Eins der Silbenfischlein gewann ich lieb und beschloss, es mit nach Hause zu nehmen. Heimlich steckte ich es in meine Jackentasche und bat es, still zu halten, damit der Bison nichts merken würde. Das Tier vermisste bald seine Artgenossen und wurde sehr anhänglich. Wo immer ich hinging, musste ich es bei mir tragen. Auch hatte es unstillbaren Hunger, so steckte ich bei der Arbeit immer größere Mengen bedeutungsloser Wortteile ein. Doch es war niemals satt und wurde vorwitzig. Bald mischte es sich in jede Unterhaltung ein, schnappte nach Endungen oder Vorsilben oder biss ganze Satzglieder ab. Meine Eltern tadelten mich wegen meines Nuschelns, in der Schule wurde ich gehänselt. Am Ende musste ich zum Logopäden, doch der konnte mir nicht helfen.
Jahre später verliebte ich mich in einen Unglücksschmied. Er fertigte mir eine Kette aus misslichen Zufällen an. Mit der band ich das Fischchen an einen Eisenring in meiner Küche. Ich fütterte es mit den Debatten von Parlamentariern. Zahm und dick ist es geworden. Bei Neumond knirscht es mit den Zähnen.