Vor 20 Tagen ging es auf Erden noch ganz anders zu: Wollnashörner, Säbelzahnkaninchen und ein frischverliebtes Anakondapärchen überquerten den Zebrastreifen nahe der Markthalle, wo ich saß und mit den Fingern Rippchen aß. Ein Feuervogel kreiste tief am Himmel, ich schloss daraus, dass es bald Regen geben würde. Und ich täuschte mich nicht: Kurz darauf goss es wie aus löchrigen Schöpflöffeln, es goss Pech und Schwefel, es goss schillernde Batzen. Die Menschen wussten nicht aus, die Menschen wussten nicht ein – sie wussten nicht einmal, wie spät es war und jemals wieder werden würde.
Ich hatte einen kleinen Topf zu meinen Füßen abgestellt für Knochen, Knorpel und Ähnliches und Artverwandtes. Je länger es jedoch regnete, desto voller wurde das Töpfchen. Grimmig betrachtete ich die schwimmenden Reste. Ich beschloss, das Beste aus der Sachlage zu machen und nahm das Töpfchen mit nach Hause, um der sterbenskranken Nachbarsfamilie ein nahrhaftes Süppchen zuzubereiten.
Als ich dann mit dampfendem Topf vor ihrer Türe stand, längst schon geklingelt hatte, öffnete mir niemand. Ich klopfte, sagte laut und betont deutlich: „Hallo! Ich bin es, und ich gehe nicht, ehe ich sicher sein kann, dass Sie Ihre kräftigende Suppe gelöffelt haben. Los, machen Sie schon auf und lassen mich rein – es soll Ihr Schaden nicht sein!“
Nichts rührte sich und ich entschied mich, diesen undankbaren Erdenbürgern eine Lektion zu erteilen. Kurz, ich begann die Suppe auf ihrer Fußmatte zu verteilen: erst Tropfen für Tropfen, dann Schluck für Schluck. Die Brocken und den letzten Rest kippte ich am Stück. Das Töpfchen nahm ich wieder mit zu mir zurück; es dient seither als Aschenbecher und ist der Ort, wo ich Zitronenschalen und Orangenkerne aufbewahren kann.
Die Nachbarn waren zu diesem Zeitpunkt schon längst verstorben. Lebensmittelvergiftung hatte die amtliche Leichenöffnung ergeben, wie ich Tage später vom Hausmeister, der vornüber gebeugt den Boden schrubbte, erfuhr. Ich hätte aber wohl nichts mit der Sache zu tun, was ich mit einiger Erleichterung zur Kenntnis nahm. Schnell rutscht man ja in solche Geschichten rein und kommt dann nur schwer wieder heraus.
Inzwischen bemühe ich mich um Unauffälligkeit, insbesondere wenn mir der Hausmeister im Treppenhaus begegnet. Vorsorglich grüße ich jetzt immer zuerst: Man kann nie wissen, ob und wann man mal auf Hilfe angewiesen ist.