Den stieren Blick hat mein Bruder von unserer Mutter geerbt. Am Abendbrottisch belauert mich Etzel und wartet nur darauf, dass mir ein Missgeschick unterläuft. Schon ist es passiert: Drei Maiskörner, die eigentlich sicher auf meiner Gabel lagen, fallen auf ihrem Weg in meinen Mund zurück auf den Teller. Etzel feixt.
„Weißt du, woran mich die derzeitige politische Weltlage erinnert?“, fragt er. „An den einen Winter, als du immer versucht hast, deine Füße mit Klarsichtfolie vor der Kälte zu schützen. Weißt du noch? Weißt du noch, wie das ausging?“
Ich nicke und schiebe mit dem Zeigefinger Mais auf meine Gabel. Etzel antwortet für mich: „Du hast in deinem Schweiß gestanden bis er einfror. Haben wir gelacht!“
Ich erinnere mich nicht, gelacht zu haben, aber die Erinnerung ist bekanntlich ein launisches Weib und ich schließe nicht aus, dass sie mir wieder einmal einen Streich spielt. „Was hat das denn mit den geopolitischen Gegebenheiten zu tun? Ich verstehe den Vergleich nicht.“
Etzel lacht. „Hast du das gehört, Mutter?“, ruft er. „Er versteht den Vergleich nicht. Als wenn es da etwas zu verstehen gäbe. Der Narr!“
Mutter und Etzel lachen gemeinsam, doch ihr Lachen kommt nicht von Herzen.
Dessen ungeachtet bin ich meiner Familie innig zugetan, ist sie doch alles, was ich habe. Etzel und Mutter sind die Konstanten, ihre Herabwürdigungen die Eckpfeiler meines Lebens. Nie käme es mir in den Sinn, ein Küchenmesser zur Hand zu nehmen in der Absicht die beiden zu schlachten, ihre Gurgeln zu durchschneiden und ihre Eingeweide an die Hunde der Nachbarschaft zu verfüttern.
Ich schaue von meinem Teller hoch, Etzel sieht mich durchdringend an. Den Blick hat er von unserer Mutter geerbt.