James Scheuß erwacht immer einen Augenblick vor dem Knistern des Deckenlautsprechers. Eine Angewohnheit, die er sich schon lange zu eigen gemacht hat. Ein Widerstand, eine Freiheit, vom Großen Ganzen unbemerkt, denn er stellt sich schlafend, um dann, im Moment des elektronisch verstärkten Geräuschs, mit einem gehetzten Schrei hochzufahren.
„Habe ich mich genug angestrengt für das Große Ganze? Das ist die Frage, die wir uns alle stellen!“, dröhnt die Stimme mit unerbittlicher Freundlichkeit auf James herunter. Noch nie im Leben hat er sich diese Frage gestellt, hat es auch nicht vor. Ausgesprochen, ja, das wohl, aber lediglich mit verstellter Stimme.
Es ist Donnerstag, da muss man das über die Woche erwirtschaftete Geld in den automatischen Rassisten im Gemeinschaftsraum werfen. Der spuckt dann unter großem Hallo der Häftlinge Beleidigungen an staatlich anerkannten Minderheiten aus. Hat man Glück, erhält man einige der Anwürfe auf kleine, mit Blumenmuster verzierte Kärtchen ausgedruckt. Die können bei den Aufsehern gegen Tabak und abgegriffene Herrenmagazine eingetauscht werden. Doch James Scheuß hortet seine unter der Matratze.
Die Stimme des Großen Ganzen ruft zur körperlichen Ertüchtigung in den spärlich begrünten Hof. Anstrengung heuchelnd trabt James mit den anderen im Kreis, hopst, streckt sich und berührt seine Zehen mit den Fingerspitzen. Unversehens sucht ihn die Klauenseuche heim und er bricht mit Schaum vorm Mund zusammen. Gleich tauchen zwei, drei Hubschrauber über den Mauern auf, emsigen Bienen gleich. „Aus Schaden wird man klug, aus Schaden wird man klug, aus Schaden wird man klug, klug, klug!“, klingt es aus am Himmel herumwirbelnden Megaphonen und ein Regen aus Schoko-Pfefferminz-Blättchen geht auf den schweißnassen Beton nieder. Gierig stopfen sich die Inhaftierten die Kitteltaschen mit Süßwerk voll. James Scheuß krallt seine Finger in die Erde eines Blumenkastens und verschließt die Lippen in trotzigem Krampf.
Die Erde dreht sich, mal links, mal rechts herum. Ehe er es sich versieht, wird James Scheuß vom Großen Ganzen einen eigenen Feiertag bekommen, an dem die Kinder singen und Näschereien aus der Luft auffangen.