Um das Badezimmer zu erreichen, muss ich eine Brücke überqueren. Sie führt über einen Fluss, der eine Idee zu breit ist, um darüber springen zu können. Jedes Mal denkt man, die Strecke sei mit einem kräftigen Anlauf zu bewältigen, aber es gelingt nie. So habe ich die Wahl, entweder Misserfolg an Misserfolg zu reihen, oder aber ich setze mich der Laune des Brückenwarts aus. Ein verschlagener kleiner Kerl mit dickem Bauch ist das. Wenn es ihm einfällt, öffnet er die Brücke, während ich gerade hinübergehe und ich falle ins eisig-schwarze Wasser. Dann lacht er schadenfroh oder schimpft höhnisch, ich sei ungeschickt und säße auf meinen Ohren. Mit hochgezogenen Schultern stapfe ich davon, die nassen Kleider ziehen an mir wie ein Anker. So beginnt mein Tag.
Sie fragen zurecht, warum ich nicht die Wohnung wechsle. Das habe ich schon mehrmals versucht, aber es hilft gar nichts. Dieser Brückenwart ist ein gerissener Hund. Ob ich meine Umzüge lange plane oder Hals über Kopf eine neue Behausung suche, früher oder später taucht er dort auf. Ich habe schon Dachgeschosswohnungen ausprobiert und Doppelhaushälften. Sogar zur Untermiete habe ich gewohnt und mich in ein Hotel eingemietet. Mal dauert es ein paar Wochen oder sogar Monate, Mal nur einige Stunden, bis ich das Plätschern des Flusses höre. Einmal blieb der Brückenwart für ein Jahr verschwunden. Da dachte ich, es sei mir gelungen, ihn abzuschütteln. Das Wiedersehen war umso schmerzlicher. Dabei hatte ich einmal ein Leben ohne den Brückenwart.
Zwar hatte ich von ihm gehört, hielt ihn aber für ein Schauermärchen meiner Großmutter, die es liebte, mir Angst einzujagen. Das stimmt nicht ganz: Ich zog es vor, ihn für ein Schauermärchen zu halten. Tatsächlich sah ich ihn schon als Kind dann und wann, wenn ich bei meiner Großmutter ein Bad nehmen musste. In unregelmäßigen Abständen drückte sie mir beim Haarewaschen den Kopf unter Wasser und ließ mich erst wieder auftauchen, wenn ich mit Armen und Beinen verzweifelt strampelte. Während ich nach Luft schnappte und sie so tat, als sei nichts Besonderes vorgefallen, sah ich ihn in der Ecke sitzen, eingezwängt zwischen Heimtrainer und Waschmaschine.
Als die Großmutter starb, bekam mein Vater den Brückenwart, aber alle hielten ihn für die Spinnerei eines Trinkers. Mein Vater wurde bald nach dem Tod seiner Mutter ein mit Stroh gefülltes Männlein aus dünnem Seidenpapier. Am Ende hatte er nur noch eine Hand, die man halten konnte und einen Mund, aus dem Schriftsprache und rasselnder Atem drangen. Dagegen ist der Brückenwart ein Klacks.