An einem anderen Tag warf ich ein Klavier vom Balkon und traf den größten Teil einer Gruppe Enten. Ihr Geschnatter ließ mich im ersten Moment annehmen, sie seien amerikanische Touristinnen, die ein Wegebier genießend, die gar nicht mal so laue Herbstnacht durchschritten.
Ich lehnte mich über die Brüstung und sah Entenmatsch, Federn und versprengte Vogelkörper – mein Klavier war auch nicht mehr im besten Zustand. Hatte ich noch am Vormittag schmissige Schlagermelodien geträllert und mich mit einfachen Handgriffen auf dem Piano begleitet, sah es jetzt beim besten Willen nicht mehr spielbar aus.
„Junge, komm bald wieder!“, rief ich ihm in Aufwallung plötzlicher Sentimentalität nach, doch im Grunde bereute ich nicht, mich von ihm getrennt zu haben. Um die Enten tat es mir leid, sie konnten letztendlich nichts für meine Probleme, die richtigen Akkorde zu finden oder für meine eklatanten Temposchwächen.
Ich spürte in erster Linie eine große Erleichterung, die auch am Abend noch anhielt, als Tierschützer ihre Zelte vor meiner Haustür aufschlugen und Stockbrot am offenen Lagerfeuer buken. Ich fragte sie, wie lange sie gedachten, dort unten zu kampieren und ihren Protest gegen mich aufrecht zu erhalten, doch entweder verstanden sie mich nicht richtig oder ihr Schweigen war Teil des Widerstands gegen meine Person. Jedenfalls antwortete mir niemand.
„Auch gut, ich bin nicht auf eure Anerkennung angewiesen, ihr werdet schon sehen, was euch euer Schweigen einbringen wird. Ich vermute mal, gar nichts.“
Eine Frau mit verfilztem Haar blickte zu mir hoch und Hass stand ihr im gepiercten Gesicht geschrieben. Ich vermute mal, ich vermute mal, ich vermute mal, ich vermute mal … – oh nein, ich war in einer Wortwiederholungsschleife gefangen und fand keinen Weg hinaus.
Die Demonstranten hatten begonnen zu singen und der Missklang ließ mich erschauern. Ich vermute mal, ich vermute mal, ich vermute mal … – noch immer war ich gefangen, es hörte gar nicht mehr auf.
Ich wünschte, ich hätte noch ein zweites Klavier, aber das war dann gar nicht mehr nötig, denn inzwischen hatten die Nachbarn wohl die Polizei gerufen, welche mit ziemlicher Durchsetzungskraft nach ihrem Eintreffen ein Massaker unter den meist jungen Demonstranten anrichtete.
Die Brutalität versöhnte mich ein wenig mit der Welt, mit meinen musikalischen Unzulänglichkeiten und meinem neu erworbenem Renommee als Entenmörder.
„Viel bleibt eh nicht von uns übrig auf Erden, wenn wir sterben.“ Froh und erleichtert, der Wortwiederholungsschleife entkommen zu sein, sprudelte es nur so aus mir heraus.
„Von keinem von uns“, fügte ich lachend hinzu. Ich lachte, bis mir die Tränen wie Katzenpisse die Wangen hinunterliefen, ich lachte, bis die Nachbarn ‚Ruhe!‘ riefen, bis alle Polizisten in ihren Betten lagen und den Schlaf der Stolzen und Gerechten schliefen.
Den Entenbrei leckten später die Ratten vom Gehsteig, aber da hatte ich mich längst anderen Dingen zugewandt.