Literarisches

Frühstück

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Hubert Salpeter wusste, dass seine Zeit abgelaufen war, denn er wollte kein Geld mehr ausgeben. Als er am Frühstückstisch zu seiner Frau sagte: „Liebling, ich will kein Geld mehr ausgeben“, erwiderte sie Brote schmierend, dass er sich gerne in der Gießkanne bediene möge, sie verwahre dort das Haushaltsgeld. „Du verstehst nicht, was ich meine“, sagte Hubert Salpeter. „Ich will nicht nur mein Geld nicht ausgeben – das Prinzip, fremdes Geld auszugeben ist ja weitverbreitet und gesellschaftlich konform – ich bin, wie du weißt, nicht geizig, ich will überhaupt kein Geld mehr ausgeben: meines nicht, deines nicht. Gar keins, verstehst du?“…

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Stimmen

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Wenn man sehr jung ist und die Knochen noch weich, glaubt man, alles sei möglich. Die Leute erzählen Geschichten. Von haarigen Biestern mit Reißzähnen, die sie vor langer Zeit gezähmt haben wollen und nun an einem Schnürchen spazieren führen oder von einem Zauberkasten, mit dem man in Sekunden die Rückseite des Mondes betrachten kann oder von winzigen Wesen, die im eigenen Körper die Luft von einem Ende zum anderen tragen oder von einem Mann ohne Augen, der in einer Besenkammer haust, ein schwarzes Gewand aus grober Wolle trägt und einem Unaussprechliches antut, wenn man nicht folgt. Man stolpert durch die…

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Das alles klingt nach einem Becher Urin vom Hund

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Man stelle sich vor, man stellt sein Rad dort ab, wo gerade noch der Hund – und nicht zu knapp. Da wird einem ganz matschig unter den Sandalen. Jetzt tanzen die Zehen feuchten Cha-Cha-Cha in dieser lauen Frühlingsnacht, zu dieser blauen Stunde. Fluchen und ein Kramen und ein Suchen in verblichenen Erlebnissen – Protokoll einer vergangenen Verhandlung: „Und warum mussten Sie dem armen Hund den Kehlkopf eindrücken? Hätten Schimpfen, Klagen und Verdammen nicht gereicht, um Ihren Unmut über das von ihm begangene Vergehen zu bekunden? Und überhaupt, wo hätte er denn Ihrer Meinung nach seine Notdurft verrichten sollen, wenn nicht…

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Der Kopf ist voll

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Mascha ist die älteste der Pelzfuß-Schwestern. Auf den ersten Blick denkt man das nicht. Müsste man als Unbekannter die Geschwisterschar dem Alter nach in einer Reihe aufstellen, befände sich Mascha irgendwo in der Mitte. Tatsächlich ist sie über tausend Jahre alt und das sieht man ihr wahrhaftig nicht an. Ihr Kopf ist zum Bersten gefüllt mit Erinnerungen, da gibt es keinen Platz zum Schmieden von Plänen, seien sie auch noch so kurzfristig. Dennoch stellt sich Tag für Tag eine frische Zukunft ein, voller Vorkommnisse und Überraschungen, die nach allzu kurzer Gegenwart Raum im prallen Schädel beanspruchen. Zu jedem Ereignis, sei…

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Jenseits von Grimm

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Ich ziehe die Stadt mir aus der Nase, Stück für Stück und alle Brocken einzeln. Einen Hauch von ihm, einen Anflug von ihr, ein wenig Alexanderplatz zerreibe ich zwischen kleinem Finger, Daumen und schnippe die Stadt in hohem Bogen von mir fort. „Hey, haste nix zu tun?“, ruft man mir zu. „Nix Besseres?“ Ich ziehe bedauernd einen Flunsch und äußere den Wunsch, die Welt möge sich für mich von außen her verbessern. Und Hilfe naht in Gestalt einer schlecht als Händlerin verkleideten, jungen Frau. „Schöne Ware feil! Schöne Ware, kauft schöne, schöne Ware!“ „Was hast du denn in deinem Korb,…

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Der Haussegen

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Schindhelm Pelzfuß erinnert sich noch genau an seinen ersten Schultag. Auch hat er nicht vergessen, wie er in die Gemeinschaft der Heiligen aufgenommen wurde. Beides gleichermaßen ein Betrug, wie so vieles im Leben. Man nimmt sich vor, bei den eigenen Kindern alles anders zu machen, aber dann bekommt man keine oder macht es doch genauso. Herr Pelzfuß hat Kinder. Vier an der Zahl. Er bewahrt sie in einem Kämmerchen am Ende seiner Wohnung auf. Alle sechs Wochen nimmt er den Nachwuchshobel zur Hand und entfernt sorgfältig den Überschuss. Mit den Jahren hat er einen besonderen Schwung entwickelt. Er summt dabei…

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Der Hässliche

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„Wie oft soll ich denn noch sagen, dass ihr nicht die Tauben füttern sollt?“, ruft die Mutter. „Wenn ihr unbedingt eure Brötchen in der Gegend herum schmeißen wollt, dann gebt sie den Spatzen!“ Manchmal sieht man, versteht man die Dinge besser aus ein paar Schritten Entfernung. Ich habe noch nie längere Zeit irgendwo hingeschaut, ohne dass ich ein Drama, eine Komödie oder gar eine Tragödie entdeckt hätte. Im Rücken heute ein Blumenfeld, vor mir der Fluss. Mein wenig erfreuliches Äußeres lässt ältere Damen den Griff ihrer Handtaschen festhalten, lässt Männer erstarren und Kinder weinen. Wenn Kinder eines gewissen, geringen Alters…

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Die Katastrophe

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Früh im Jahr, wenn der Schnee scharfe Kanten bekommt, erinnere ich mich an Bogumil Palatschink. Wir teilten uns ein Badezimmer und eine Küche auf der gleichen Etage in einem Haus mit Wänden aus Pappmaché. Bogumil ließ sommers wie winters die Fenster offen stehen und im Februar war sein Fußboden von eisigen Platten bedeckt, die unter seinen Schritten krachten. Seine Mutter brachte uns jede Woche blutfarbene, muffig schmeckende Marmelade, die sie selbst einkochte. Bogumil war voller Undankbarkeit und bereitete seiner Mutter viel Kummer. Umgekehrt verhielt es sich ebenso und die beiden wurden niemals müde, mir davon zu berichten. Eines Abends, kurz…

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Die Wanderung

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Die Leute haben romantische Vorstellungen von der Flucht. Als sei sie etwas Besonderes, als hätten sich die Menschen nicht immer schon in Bewegung gesetzt, sobald es ihnen allzu unbehaglich wird. Im Grunde ist doch das Leben nichts anderes: Man strampelt, bis es einem angenehm ist, verharrt dann in der Hoffnung, der Zustand möge Bestand haben. Hat er nicht. Weiter. Alma Pelzfuß starrte in die Tasche, die zu ihren Füßen lag. Das Maul weit aufgesperrt, zeigte sie ihr den leeren Schlund, begierig, alles aufzunehmen, was Alma für wichtig erachtete. Was würde sie mitnehmen in das Neue? Die Tasche durfte nicht zu…

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Heutzutage oder Fäkal territoriale Betrachtungen

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Wisst ihr Schnösel überhaupt noch, was ich hier mache? Ich schreibe, ihr Fatzken. Ja, mit der Hand, so wie ich es gelernt habe. Was? Wie bitte? Ihr habt vielleicht Vorstellungen. Natürlich ging der Alltag zwischen den Bombenangriffen weiter – wir sind ganz normal zur Arbeit gegangen. Das heißt, natürlich nur, wenn der Betrieb, die Fabrik, das Amt nicht ausgebombt worden waren. Da hat fast niemand gejammert, da hat kaum jemand geklagt; ausgenommen die Leute, die gerade Angehörige verloren hatten. Die haben schon mal ein Tränchen verdrückt, schon mal einen Kloß runterschlucken müssen. Kann man doch verstehen. Und heutzutage? Wenn ich…

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