„Störe meine Greise nicht!“
Die Stimme des Pflegedienstleiters dröhnte durch den Park, dass die Pfosten wackelten, an denen die Lautsprecher befestigt waren. Die Gruppe alter Damen zuckte unter dem Gebrüll zusammen. Einige umklammerten verängstigt ihre Turnbeutel, andere verkrochen sich hinter Formschnittbäumen und sahen voller Sorge zum geöffneten Fenster des Büros hinauf.
Veronika Duschek atmete tief ein und reckte trotzig das Kinn. Heute war ihr großer Tag. Das erste Training der Damen-Beachvolleyball-Mannschaft des Seniorenwohnstifts „Eichenhain“ in Bad Sodom stand bevor, und sie würde es sich unter keinen Umständen von diesem Despoten in Birkenstocklatschen zu Nichte machen lassen. Monatelang hatte sie die Damen ihrer Gymnastikgruppe bearbeitet, bis die sich für ihre Idee begeistern konnten. Sie würde nicht zulassen, dass ihre Truppe nun, durch männliche Herrschsucht eingeschüchtert, aufgab, bevor es überhaupt richtig losging.
Zornig blies Veronika Duschek in ihre Trainingspfeife und forderte die Damen auf, sich im Kreis aufzustellen. Eigentlich hatte sie dieses Ritual aufsparen wollen, um die Mannschaft vor dem Spiel aufzustacheln. Aber nun musste die Truppe schon vor dem Spiel zuschlagen.
Sie war selbst überrascht, wie leicht die alten Damen in Fahrt kamen. Nicht einmal die Hälfte der Übungen aus ihrem Motivationsseminar konnte sie unterbringen und schon rannten 12 entfessele Weiber johlend und kreischend über den Rasen und stürmten das Büro des Pflegedienstleiters.
Vom Lärm aus den Lautsprechern aufgescheucht, rannten Eichhörnchen in Panik die Bäume hinauf und hinunter, bis nach dem letzten Röcheln des Pflegedienstleiters endlich Stille auf den Park fiel.
Der Chefredakteur von „Bad Sodom im Spiegel“ freute sich wochenlang über die unerwartete Füllung des Sommerlochs. Veronika Duschek beschloss, sich nach Afrika abzusetzen, bis die Wogen um ihre Person sich geglättet hatten.