Frieda Pelzfuß denkt nicht gern an ihre Schulzeit zurück. Gewiss, nicht alles war schlecht gewesen. Anderswo und anderswann hatte es Menschen schlimmer getroffen und es gab keine Landminen auf den Gängen. Mit etwas Sinn für Verhältnismäßigkeit hätte Frieda in zuckrigen Erinnerungen schwelgen können. Leider fiel ihr immer als erstes der schwitzende Kaplan ein, der einem in den Nacken atmete und ganz aufgeregt wurde, wenn er einem das Ohr verdrehte. Und die Direktorin, wie sie morgens am Treppenabsatz den Zuspätkommenden auflauerte. Wenn sie einen an den Haaren gepackt hielt und schüttelte, klingelten die vielen dünnen Goldreifen an ihrem Handgelenk wie Schlittenglöckchen zur Winterzeit. Aber daran denkt Frieda Pelzfuß nicht gern.
Vielleicht hätte sie im Leben nicht mehr daran gedacht, wäre nicht, gerade als sie die Herbststimmung im Park genießt, diese Stimme zu hören. Frieda Pelzfuß vergisst niemals eine Stimme.
„Kehrt um! Seht die Zeichen!“, ruft der Kaplan Schallinger.
Frieda summt ein Lied, das sie morgens im Radio gehört hat. Angestrengt starrt sie in die Krone einer Blutbuche. Aber die Stimme bleibt. Der Kaplan schiebt sich schweißbedeckt und schnaufend durch das Gebüsch auf sie zu. Das Haar klebt nicht mehr in glänzenden Kringeln schwarz an der Stirn und das Alter hat ihn mit einer teigigen Fettschicht umhüllt. Der watschelnde Gang aus jungen Jahren ist ihm geblieben.
„Ein Hirte hat 47 Schafen aus Wut die Kehlen durchschnitten. Seht die Zeichen!“
Frieda Pelzfuß seufzt. „Kehr um!“, sagt sie zu ihm.
Aber er missachtet ihre Warnung. Sie packt ihn am Arm, greift in einen Laubhaufen und stopft händeweise alte Blätter in seinen plappernden Mund. Schnecken, Eicheln, Eckern und Kastanienschalen; Frieda Pelzfuß schaufelt, als ginge es um ihr Leben. Erst als der Kaplan Schallinger unter altem Blattwerk verschwunden ist, kann sie aufhören. Sie schwitzt und schnauft. Aber das ist etwas anderes.