Kein Problem

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Iris hasst den Weg zur Praxis. Treppenstufen in nahezu unendlicher Anzahl, der Geruch von ranzigem Bohnerwachs, das Knarren der Dielen im Gang stoßen sie fast magnetisch ab. „Ah, Frau Gleichen, Sie sind spät dran heute. Na, erzählen Sie mal! Was ist denn das Problem?“ In der schattenverhangenen Praxis ist es stickig vom aufwirbelnden Staub der Behandlungscouch und der Decke, die zwar frischgefaltet ist, die aber den Geruch von Katzenurin ausdünstet. Die Katze selbst wird stundenweise ins Nebenzimmer gesperrt. Iris entfernt wie immer, wenn sie hier ist, dünne Haare vom Überwurf. „Kein Problem. Ich lebe, wenn Sie das meinen. Zu meckern…

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Lux oder Lumen

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In einem Vorstadttheater trifft sich der harte Kern der ortsansässigen Laienspielgruppe. Die drei Gründungsmitglieder Erebos, Lykeios und Rita, sitzen nebeneinander in der zweiten Reihe im leeren Saal des Zuschauerraums, starren auf die Bühne und nippen an süßen Limonaden. Die volle Blase zwingt Lykeios, eilig seinen Platz zu verlassen. Rita rückt einen Sitz weiter zu Erebos und flüstert: „Sollen wir einen Blick in seinen Entwurf werfen? Er macht ein Riesengeheimnis um den Text. Lass uns doch mal schauen, was er schon geschrieben hat!“ Erebos ist einverstanden. Rita liest mit gesenkter Stimme: „Okay, aber ich kann seine Sauklaue nur schwer entziffern. ‚Im…

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Das Gossenmaul

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**DISCLAIMER** Dieser Text enthält Sprache und Ausdrücke, die als anstößig oder unangemessen empfunden werden könnten. Die enthaltene Sprache dient einem spezifischen Zweck und soll bestimmte Charaktere, Situationen oder kulturelle Hintergründe authentisch darstellen. Ich empfehle, dass unbedarfte oder empfindliche Leser und Leserinnen diesen Text mit Vorsicht rezipieren. Die hier geäußerten Ansichten und Aussagen spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten des Autors oder der Herausgeberin wider: Sybille ist nicht so wie wir. Für Sibylle sind wir die Anderen. Sybille wollte nie eine von den Anderen sein. Sybille ist praktisch unsichtbar. In der Regel beachtet man sie nicht, wenn sie vor der U-Bahnstation sitzt….

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Die Pechtrommel

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Bambule und Kassalla, die lustigen Zwillinge, sitzen auf einer Bank vor dem alten Schulgebäude und essen Kirschen aus einer Papiertüte. „Erinnerst du dich“, kommt Bambule ins Schwelgen, „als wir dem altem Mann damals geholfen haben?“ „Ich erinnere mich gut“, erwidert Kassalla, die etwas jüngere der beiden Schwestern, und spuckt den Kirschkern im hohen Bogen ins Gebüsch. „Und an seine Trommel auch, dieses Riesending mit den fiesen Federn. Wie ranzig der Alte in ihr gerochen hat.“ Bambule zuckt mit den Schultern. „Was bei dem wie gerochen hat, will ich gar nicht so genau wissen.“ Kassalla kichert bis sie sich am Kirschsaft…

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Jahrmarkt der Möglichkeiten

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Als der Jahrmarkt in unserer kleinen Stadt gastierte, kam mein Freund Jochen morgens unter mein Fenster und rief: „Daniel, Daniel, der Jahrmarkt ist endlich da, der Jahrmarkt ist der heiße Scheiß!“ So redeten wir damals und kamen uns weltgewandt und abgeklärt vor. Aber Jochen hatte vollkommen recht: Der Jahrmarkt war der heiße Scheiß. Wir Kinder hatten schon seit Tagen mit sehnsuchtsvollen Augen vor den Plakaten an der einzigen Litfaßsäule des Ortes gestanden und uns gefragt, wann endlich der siebte Juni, der Premierenabend, sein würde. Und was das bunte Plakat nicht alles verhieß … ‚Gummo, der Mann aus Kaugummi‘ fesselte unsere…

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Ein Zweizack ist die Lösung

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Dieter stand, wie immer freitags in seiner letzten Mittagspause der Woche, am Bistrotisch seines bevorzugten Schnellimbisses und stocherte mit der Holzgabel in den übriggebliebenen Pommes Frites in dem Pappschälchen vor ihm. Kollege Karel aus der Abteilung Vertrieb, gesellte sich zu ihm, in der linken Hand balancierte er sein eigenes Schälchen, mit der rechten hielt er einen etwa beinlangen, vorne spitz zulaufenden Stahlprügel umklammert. „Was ist das denn für ein komischer Speer?“, fragte Dieter und nahm einen tiefen Schluck aus der Limonadenflasche. „Das ist kein Speer. Das ist mein Zweizack.“ „Hm, davon habe ich ja noch nie gehört. Und außerdem hat…

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Der schlampige Apostel

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„Was denkst du?“, fragte sie ihn leise und kraulte ihm von hinten den Nacken. Er saß am Schreibtisch und verbarg das Gesicht in den Händen. Langsam drehte er sich zu ihr um; er sah aufgewühlt aus. „Ich glaube, ich weiß jetzt, wie ich es angehen werde. Das Poem, das ich schreibe, ist doch komplexer, als ich ursprünglich angenommen habe.“ „Ich weiß gar nicht, warum du immer so ein Gedöns um die Texte machst“, sagte sie mit einem spöttischen Unterton in der Stimme, „es ist ja nicht, als würde die Welt nur darauf warten, sie zu lesen. Wie viele Leser hast…

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Rendezvous mit dem Maulaffen

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Als ich den Laden des Händlers betrat, blendete mich die muffige Dunkelheit des rundum mit den absonderlichsten Waren vollgestopften Innenraums, sodass sich meine Augen erst langsam an die Lichtverhältnisse gewöhnten. Der Händler war ein Mann von rundlicher Gestalt, ungefähr in meinem Alter. Er ließ sich durch meine Anwesenheit nicht von seiner Arbeit ablenken; er sortierte mehrere kleine Gegenstände auf einem Kissen aus dunkelrotem, flauschigem Samt. Ich räusperte mich und zeigte, auch um das Verkaufsgespräch in Gang zu bringen, auf das Teil, das der Händler als letztes in der Hand gehalten hatte. „Ich hätte gern das Ding da“, sagte ich und…

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An den Ohren herbeigezogen

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Manchmal dauern die Dinge. Mit den Jahren stelle ich fest, dass einem im Leben insgesamt doch wenig Spontanes und noch weniger Plötzliches widerfährt. Umso erstaunlicher die Geschichte, von der ich heute erzählen will. Ich saß eines bewölkten Tages im April an meinem Schreibtisch und betrachtete die Härchen auf meinen Handrücken. Mal atmete ich links und ließ die Haare erzittern, mal atmete ich rechts. Meine Erinnerung ist nicht mehr, was sie vor der Pest war, und so weiß ich nicht, wie es kam, dass ich die Hände an den Kopf führte und mir mit rascher Heftigkeit an beiden Ohrläppchen zog. Als…

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Der Dicke Schatten

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„Geh nicht in den Keller!“, sagte Mutter immer. „Dort lebt der Dicke Schatten.“ Und der gehorsame Junge, der ich war, ging nicht in den Keller; zu groß die Furcht vor dem Dicken Schatten. Meine Mutter, die ich als eine äußerst pragmatische Frau kannte, hatte, selbst für mich als Knirps wahrnehmbare, Panik in den Augen, wenn Sie vom Dicken Schatten sprach oder auch nur an den Keller dachte. Natürlich war ich trotz pathologischer Gehorsamkeit jugendlich neugierig und für ein Herz, das nach Abenteuern dürstet, sind Verbote nicht mehr als Wegweiser ins Unbekannte. Eines Tages stieg ich also mit dem flackernden Licht…

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