„Erzählen Sie mir etwas Blaugraues!“, forderte der Prälat. Sehen konnte ich ihn durch das Gitter der Trennwand freilich nicht, doch das Knarzen der Stimme gab seine Identität preis. Nachdem ich tagelang schuldbeladen zu Hause gesessen hatte, stand mir der Sinn nicht danach, mit dem Monsignore Mätzchen zu machen. Ich wollte beichten.
„An sich habe ich erwartet, dass Sie mir die Beichte abnehmen“, entschlüpfte es mir patziger als geplant.
Der Prälat rutschte auf seinem Stuhl herum, das Holz knarzte, ähnlich wie zuvor seine Stimme. Saß er überhaupt auf einem Stuhl? Ich nahm es an, obschon ich niemals auf seiner Seite gewesen war.
„Ja, ja, gewiss. Die Beichte. Dazu kommen wir noch. Aber zuerst etwas Blaugraues. Damit ich in Stimmung komme. Mir ist nämlich heute gar nicht nach Vergebung.“
Ich wurde nervös. Was würde ihn milde stimmen? Der Himmel über dem Atlantischen Ozean vor einem Sturm, die Nordkette im letzten Abendlicht, eine am Petersplatz Hostienkrümel pickende Taube oder die Haut eines Tümmlers, der im Sonnenlicht aus den Wellen auftaucht? Die vom Star trüben Augen meiner Tante Erika?
Von der wollte ich lieber nicht anfangen, denn ihretwegen nagte die Schuld an mir. Seit Monaten schlich ich um sie herum, stets aufmerksam, ob sie nicht Hilfe beim Kochen oder Unterstützung beim Fernsehen benötigte, immer bereit, dies und das für sie zu erledigen. Doch bei der ganzen Sache ging es mir nicht darum, Tante Erika einen möglichst unbeschwerten Lebensrest zu ermöglichen. Nein – ich war nur auf meinen Vorteil aus, träumte ständig von Immobilien und Schätzen, die sie mir vermachen und dem prunkvollen Leben, das sie mir damit bescheren würde. Dabei wusste ich nicht einmal, ob sie vermögend war oder arm wie eine Kirchenmaus. Es kümmerte mich auch nicht. Einzig meine Träume von unermesslichem Reichtum vermochten mich zu interessieren.
„Also“, begann ich mit gesenkter Stimme, „Im Winter, wenn der Schnee schon einige Zeit liegt und man ihn zu kegeligen Haufen aufgetürmt zwischen den Parkbuchten findet …“
Ich machte eine Pause, um ein Geräusch des Wohlgefallens beim Prälaten ausmachen zu können, doch nur sein leises Schnarchen drang durch das Gitter.