Neulich war ich zum Familienrat eingeladen. Es gab Probleme mit meinem Neffen.
„Entweder ich gehe zur Polizei oder ich werde Soldat!“, schleuderte er seiner Mutter entgegen, als es einmal mehr darum ging, dass Fritz sich langsam einen Beruf aussuchen müsse.
Meine Schwägerin rang die Hände und Schweißperlen traten auf ihre Stirn. Mein Bruder ist ein friedfertiger und umgänglicher Zeitgenosse, doch bei der Staatsmacht sieht er rot. Sein eigen Fleisch und Blut in Uniform? Das konnte nicht gut ausgehen. Das Haus meines Bruders ist Konflikte nicht gewöhnt und so wackelten die Wände, das Wasser gefror in den Leitungen und die Rohre heulten vor Angst.
„Dann werde ich eben fentanylsüchtig!“, brüllte Fritz.
„Immer noch besser als ein Mörder!“, schrie mein Bruder zurück.
Der Kamin stürzte ein und man beschloss, den Familienrat einzuberufen. Es wurde gestritten, diskutiert, geweint, die Fäuste flogen und am Ende vertrugen sich alle wieder.
Mein Bruder ließ sich überzeugen, denn der oberste Oberbefehlshaber hatte schließlich versprochen, dass wir keine Kriegspartei werden würden und all die Panzer und Raketen und Drohnen und Fassbomben hätten wir nur, weil man das halt so hat. Er trug das Fentanyl zurück in die Apotheke und Tante Albertine ging in der Zwischenzeit mit Fritz zur Musterung.
Fünf Monate ist das nun her. Natürlich sind wir doch eine Kriegspartei geworden. Mein Neffe Fritz wurde gleich nach seiner Grundausbildung an die Front geschickt. Die Front ist weit entfernt. Weiter als man normal in den Urlaub fährt. Trotzdem sind Fritzens Briefe noch tränenfeucht, wenn sie Zuhause ankommen. Er ist kein guter Soldat. Ein Feigling und Drückeberger ist er, der wegen jeder Kleinigkeit heult. Seine Kameraden nennen in „Fake“.
„Wie der stärkste von den Wikingern aus der Kinderfernsehsendung!“, stand in einem seiner Briefe.
Meine Schwägerin wischt sich über die Wange, dort wo eigentlich eine Träne sein sollte und spült ihre Fentanyl-Tabletten mit einem Gläschen Eierlikör hinunter.