Meinem Vetter Bruno stand der Mund schief im Gesicht wie ein schlampiger Behördenstempel und eine dunkle Braue lag wie ein Baumstamm über seinen Augen. Onkel Gernot zog ihn damit auf.
„Bei Bruno merken wir, dass er alt wird, wenn Moos auf seiner Augenbraue wächst.“
Tränen liefen schnurgerade über Brunos Wangen, so dass sein Mund noch schiefer wirkte.
„Hänsel den Bruno nicht!“, mahnte meine Großmutter dann, aber sie meinte es nicht ernst.
„Ich hänsle ihn nicht, ich mag den Bruno doch“, erwiderte Onkel Gernot.
So war das in unserer Familie. Allein die Liebe bewahrte einen davor, dem anderen ein Leid zuzufügen, selbst wenn man es gerade tat. Aber das wollte ich gar nicht erzählen; ich wollte erzählen, wie ich dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen habe. Eben jene Großmutter wurde fuchsteufelswild, wenn wir Kinder Grimassen schnitten.
„Schau nicht so, sonst bleibt es dir, wenn dich jemand erschreckt!“, rief sie und fügte dann leise hinzu: „So wie dem Bruno.“
Eines Tages stellte ich im Badezimmer einen Hocker auf und zog dem Spiegel Fratzen, dass selbst einem Schiechpercht angst und bange geworden wäre. Nach einer Weile warf ich ein Fläschchen zu Boden, das klirrend auf den Fliesen zersprang. Der Spiegel erschrak sich gewaltig und seither zeigt er mir mein Gesicht entstellt, mit verdrehten Augen und garstig aufgesperrtem Maul. Doch außerhalb des Spiegels sehe ich aus wie immer.
„Woher willst du denn wissen,wie du außerhalb des Spiegels aussiehst?“, fragt mich Bruno, doch ich gebe keine Antwort.