Die Pechtrommel

Bambule und Kassalla, die lustigen Zwillinge, sitzen auf einer Bank vor dem alten Schulgebäude und essen Kirschen aus einer Papiertüte.

„Erinnerst du dich“, kommt Bambule ins Schwelgen, „als wir dem altem Mann damals geholfen haben?“

„Ich erinnere mich gut“, erwidert Kassalla, die etwas jüngere der beiden Schwestern, und spuckt den Kirschkern im hohen Bogen ins Gebüsch. „Und an seine Trommel auch, dieses Riesending mit den fiesen Federn. Wie ranzig der Alte in ihr gerochen hat.“

Bambule zuckt mit den Schultern. „Was bei dem wie gerochen hat, will ich gar nicht so genau wissen.“

Kassalla kichert bis sie sich am Kirschsaft verschluckt und husten muss. Ihre Schwester klopft ihr mit dem Daumenballen im Takt der Huster gegen den Rücken, wie immer schon. Privileg des Alters, wie sie es halb scherzend nennt, denn sie ihrerseits lässt nicht zu, dass ihr irgendjemand auf den Rücken oder sonstwohin schlägt, Hustenanfall hin, Hustenanfall her. Kassalla kommt langsam wieder zur Ruhe und wischt sich Tränen der Anstrengung aus den Augenwinkeln.

Bambule erinnert sich weiter: „Aber ordentlich Geld abgedrückt hat er, der komische Alte. Leute gibt’s. Was hat er uns damals geboten? 400 Mark für jede. Dafür, dass er vor uns dieses Fass von einer Trommel beklopft, und wir im Rhythmus seiner Schläge wie Elfen im Kreis tanzen, ist das eine stattliche Summe.“

Kassalla wendet ein: „Das war ja beleibe nicht alles, was passiert ist und du weißt es. “

Ihre Schwester funkelt sie böse an. „Darüber reden wir nicht. Dass das klar ist!“ Sie hebt drohend die Faust.

Kassalla nimmt sich den Schwur, den die Schwestern einander geleistet haben, zu Herzen und knüpft an anderer Stelle an: „Mama und Papa hatten doch diese Walfischzucht und da konnten wir uns ja ohne Probleme diese Harpune mitnehmen, um, wie Vater es immer ausgedrückt hat, für alle Fälle gewappnet zu sein.“

„Hör endlich auf“, fährt Bambule die Schwester an, Kassalla verstummt, und so wird an diesem sonnigen Sommertag nicht die Geschichte erzählt, in der die beiden Schwestern den ermatteten alten Herrn mit der elterlichen Harpune niedergestreckt, beraubt, in die Pechtrommel gezwängt und den Abhang Richtung Autobahn hinunterrollen gelassen hatten. Die Autobahn, die man noch heute im Hintergrund hört, und auf der die Pechtrommel samt Inhalt von einem polnischen Lieferwagen erfasst wurde, was das Ende des alten Mannes mit seinen seltsamen Anwandlungen und abseitigen Neigungen bedeutete.

Die Zwillinge schweigen stattdessen und essen Kirschen bis die Tüte leer ist.