Ein fremder Käfer

„Über manche Dinge kann man einfach nicht mehr schreiben!“, ruft der junge Mann mit dem Dichterhaarschnitt aus und schreitet leidenschaftlichen Schrittes und nur mit einem zerknitterten Leintuch bekleidet in ihrem Schlafzimmer auf und ab. Jane Pelzfuß umklammert ihre Kaffeetasse mit beiden Händen, betrachtet vom Bett aus seinen Rücken und bemüht sich, an etwas anderes zu denken. Zu diesem Behufe sagt sie leise „Echt?“. Das Fragezeichen ist nur ein Hauch, mit dem sie die Gedanken in eine andere Richtung pustet.

Der junge Mann hat es gehört und fährt fort: „Ja, echt! Über eine Revolution der Tiere oder eine Welt, in der Bücher lesen verboten ist, zum Beispiel. Diese Felder sind abgegrast. Das kannst du mir glauben.“

Voller Mitgefühl sieht Jane Pelzfuß den jungen Mann vor sich, wie er mit hängenden Locken und gebeugtem Rücken einzelne braune Halme von einer versteppten Wiese zupft. Seine Gonaden schaukeln dabei traurig im Wind und sie überlegt, ob sie ihn wieder in ihr Bett einladen soll, aber seine vom Staub bräunlich gefärbten Fußsohlen halten sie davon ab. Sie dreht den Kopf zur Seite und beobachtet die Karawane, die auf einem nahen Hügel dahinzieht. Mit Früchten beladene Lasttiere und in Djellabas gehüllte Gestalten. Eins der Kamele neigt den Kopf zum Gruß und schüttelt sich leicht, so dass ein Apfel aus dem Korb fällt und den Hügel hinab in Janes Bett rollt. Sie beißt ein Stück ab und bietet ihn dann dem jungen Mann an.

Er nähert sich mit trippelnden Schritten und wackelt mit zwei schwarzen Fühlern, die zwischen seinen Locken hervorlugen. Schüchtern öffnet er seine Mundwerkzeuge und knabbert an dem dargebotenen Obst. Eine Welle unreflektierten Ekels durchspült Jane Pelzfuß. Das war ihr gestern Abend gar nicht aufgefallen. Als der Mann sich abwendet, schillern zwei bräunlich-grüne Flügel auf seinem Rücken. Jane widersteht dem Impuls, den Apfel nach ihm zu werfen. Manche Dinge kann man einfach nicht mehr machen.

Stattdessen steht sie auf und nimmt eine Weihnachtskarte und ein leeres Glas vom Tisch. Das Glas stülpt sie über den Mann, schiebt die Karte unter seine Fußsohlen und trägt ihn zum Fenster. Sanft setzt sie ihn am Fensterbrett ab, hebt das Glas und schließt schnell das Fenster. Er wackelt noch ein Weilchen mit den Fühlern und verschwindet dann in einem Spalt in der Fassade.

„Das Jahr fängt ja gut an“, flüstert Jane Pelzfuß und geht wieder ins Bett.