Eine Oktave zu tief

Als Kind dachte ich, die Oktave sei die Primaballerina unter den Protisten. Unter meinem geistigen Mikroskop schwebte sie auf plüschigen Scheinfüßchen dahin, neigte graziös ihre Geißel und ließ ihre Wimpern zittern, um dann in einer wilden Pirouette zu den Klängen von Prokofjews Cinderella über den Rand des Objektträgers hinauszutanzen und ihren durchscheinenden Leib in der Sonne zart schimmern zu lassen.

Allerdings musste man als Oktave Obacht geben, dass man nicht zu tief sank. Denn dort unten, in einem vom menschlichen Ohr ungehörten Sumpf, lag die Sub-Kontra-Oktave auf der Lauer. Stets bereit, gefallene Tänzerinnen für ihre Sache zu rekrutieren, lungerte sie in der Dunkelheit herum und blickte kalt durch die Schlitze ihrer Sturmhaube. Nur das unregelmäßige Aufglühen ihrer Pfeife verriet, wo sie sich aufhielt. Waren die hohen Oktaven nicht bereit, mit der Sub-Kontra-Oktave gemeinsame Sache zu machen, verabreichte sie ihnen Tredezim, um ihren Willen zu brechen und sie gefügig zu machen.

Hatte ich mich eben noch an dem possierlichen Tierchen erfreut, packte mich nun die nackte Furcht vor der Invasion der tiefen Oktaven, die auf Wolfsquinten ritten und ganze Städte niederbrannten.

Groß war meine Erleichterung, als ich erfuhr, dass es sich lediglich um Abstände handelte, also genaugenommen um nichts.