Erinnerungen? Pah! Erinnerungen sind etwas für Privilegierte.
In meiner Jugend waren wir so arm, wir konnten uns nichts Erinnernswertes leisten. Manchmal schlug uns der Vater mit einem Stock, aber auch nur, wenn er ihn nicht versetzt hatte, um der Mutter Lutschpastillen zu kaufen.
An Festtage glaube ich schon mal gar nicht. Unsere Tage der Besinnlichkeit fingen immer erst im Januar an, wenn die Nachbarn ihre Tannen oder Fichten auf den Gehsteig warfen und wir sieben Kinder uns über die am Baum verbliebenen Nadeln hermachten, und mit neidischen und missgünstigen Blicken auf ihnen kauten, bis unsere kleinen Gaumen bluteten.
Dieses Jahr habe ich mir extra zu Weihnachten ein paar Festtagsgefühle implantieren lassen. Noch fühlen sie sich fremd an, glücklicherweise hat mein Körper sie nicht sofort wieder abgestoßen – das tut er manchmal, wenn ihn etwas überwältigt oder erschüttert. Vielleicht, so meine Hoffnung, werde ich in späteren Zeiten dann ein paar Erinnerungen mein Eigen nennen, von denen ich euch gegebenenfalls berichten werde.