Zwischen den Jahren besuchte ich meinen Bruder Tacheles im Pflegeheim. Wie immer brachte ich ihm eine wohlriechende Salbe mit, für die tiefen Furchen in seiner Stirn, die er vom dauernden grimmig Dreinschauen bereits seit seinem vierzehnten Lebensjahr hatte. Er warf das Töpfchen aus mattem Glas achtlos in eine Schublade. Schon ein paar Tage vor meinem Besuch aß ich nur noch Tütensuppe und trug zu enge Rollkragenpullover aus Synthetikfasern, die meine Haut zerkratzen und in der Dunkelheit boshaft Funken sprühten. Er sollte ja nicht denken, ich hätte ein schönes Leben. Mit großem Argwohn musterte er mich, suchte in meinem Gesicht und meiner Haltung nach Anzeichen von Freude, die er mir missgönnen könnte. Unsere Eltern hatten mich Tacheles stets vorgezogen, und er wurde nicht müde darüber zu klagen. Voller Zorn schüttelte er seine mit Schorf bedeckten Hände, bis Schrunden in der Größe von Kartoffelchips durchs Zimmer segelten. Irgendwann beruhigte er sich, holte einen Stapel alter Pornomagazine hervor und zeigte mir Bilder unserer Mutter. Dann guckten wir noch gemeinsam Gerichtssendungen im Fernsehen und verabschiedeten uns unter Tränen. Den Pullover schenkte ich dem Pfleger an der Rezeption, der mir im Gegenzug für ein Stündchen seinen Trostspender überließ.