Haifischzähne

Zum neuen Jahr war ich eingeladen. Bei der Tombola gewann ich den ersten Preis: einen Eierschneider. Es gab noch Punsch und Palaver, Tanz selbstverständlich auch.

Wie ich im Morgengrauen zur Garderobe gehe, den Hauptgewinn unter den linken Arm geklemmt, bemerke ich einen dünnen Mann, der mich voll Trauer ansieht. Er kommt mir bekannt vor, also bleibe ich stehen und wühle in meinen Erinnerungen. Ich trage sie in einem Beutel über der Schulter, der von den meisten für meine Handtasche gehalten wird. „Soll ich deine Handtasche mal halten?“, fragen sie, wenn ich nach dem Portemonnaie in der Jacke suche, und wundern sich dann über mein unwirsches Abwehren. Wer gibt schon gerne seine Erinnerungen aus der Hand?

Ich gehe auf den Mann zu, um ein paar seiner Worte aufzuschnappen. Eine Stimme vergesse ich niemals. Gesichter und Namen fallen im Beutel ganz nach unten und werden mit der Zeit unkenntlich durch Tabakkrümel, Staubflusen und Papierfetzchen, die sich anschmiegen. Als er mich anspricht, fällt mir ein, dass es Richard Widmark ist, mit dem ich einst die Schule besuchte. Er war scheu und hatte ein Haifischgebiss. Täglich schlugen ihm die Rabauken Zähne aus, um sich unter großem Hallo am Nachwachsen zu ergötzen. Ich sammelte die spitzen Kinderzähnchen in einem Tintenfass und drückte sie ihm am Tag vor den großen Ferien beiläufig in die Hand.

Richard Widmark erzählt mir, dass er einen Monatslohn in Lose für die Tombola investiert hatte, denn er wünschte sich von ganzem Herzen den Eierschneider. Während er spricht, schielt er begehrlich auf das kleine Ding. Aus Gefallsucht hätte ich es ihm um ein Haar geschenkt. Lediglich der Gedanke an den sanften Widerstand, den ich brechen muss, um die Drähte durch den weißen Eierleib zu pressen, hält mich davon ab.