Der Mann neben mir pfeift ein Lied hinter seiner Maske; er weiß nicht, was es bedeuten soll. So klingt es jedenfalls.
An einem anderen Tag hätte ich ihm zugelächelt und von meinem Großvater erzählt, der, wie er mir einmal in einer schwachen Stunde gestand, immer eine nationalistisch aufgeheizte Schwäche für die Loreley gehabt und schon früh in ihrer Beziehung von meiner Oma verlangt hatte, sich ihr Haar für ihn zu bürsten, wenn sie intim mit ihm werden wollte.
Erfolgreich, wenn mir das kurz einzuwerfen erlaubt ist; aus ihrer Ehe entsprangen zahllose Kinder, nicht zuletzt meine Mutter, deren Leben ich meinen Aufenthalt auf dieser Bank verdanke.
Mein Großvater lag vor mir auf dem großelterlichen Ehebett, getaucht in den Schweiß einer hartnäckigen Malaria-Erkrankung und schrie unbeherrscht nach seiner Mutter und Männern, deren Namen ich nicht kannte.
Um ihn zu beruhigen, stimmte ich das Lied von der Loreley an und sang es in seinen Wahn. Alle sechs Strophen. Und wenn ich fertig war, fing ich wieder von vorne an. Mit noch ungebrochener Knabenstimme und der Inbrunst eines Jungen, dessen Großvater fortzufließen droht.
Irgendwann fiel mein Opa in einen dumpfen, erschöpften Schlaf und ich musste beim Verlassen des Schlafzimmers nicht einmal besonders leise sein.
Den Mann neben mir interessiert das alles natürlich nicht; er putzt sich die angelaufenen Brillengläser und sieht unsagbar müde aus.