Kopfbahnhof

Der schönste Mann der Welt spaziert mit mir durch die Nacht. Im Schein der Gaslaternen verliert die Welt jeden Makel. Viel Lachen und Küssen, die Gedanken fliegen zwischen den Köpfen hin und her, als seien wir die Graphitelektroden einer Kohlenbogenlampe.
Da werde ich durchgeschüttelt, wie bei einem Erdbeben. Der Geruch von Spiritus steigt mir in die Nase. Ein Körper ist neben mir auf das Sitzbänkchen der Mini-Dampfeisenbahn gefallen, ein Glöcklein bimmelt und die Rundfahrt durch den Vergnügungspark beginnt. Mein Geist ist auf Wanderschaft gegangen. Das passiert mir häufig. Es entgratet die Kanten der Wirklichkeit. Der Mann neben mir atmet schwer. Seine Hände sind rußig und er verströmt Spiritusgeruch.
„Mit einem Feuer ist man niemals einsam“, sagt er. „Das war schon in der Frühgeschichte so. Gibt es irgendwo ein Feuer, tummeln sich die Leute, um zu essen, zu singen und zu tanzen. Um Wärme und Schutz zu finden.“
Er lehnt sich zurück und sieht mich erwartungsvoll an. Die Rückenlehne des Sitzbänkchens quietscht und biegt sich unter der zusätzlichen Last. Ich drehe mich zur Seite, in der Hoffnung, er möge das Gespräch sein lassen. Er missdeutet meine Bewegung.
„Ich weiß, was Sie sagen wollen“, behauptet er. „Hexenverbrennung, Bücherverbrennung, angezündete Flüchtlingsunterkünfte und so weiter und so fort! Aber auch das sind Akte der Gemeinschaft. Auch das ist gegen die Einsamkeit!“
Ich denke an Selbstverbrennungen und das erste Brandopfer. Ein Martinshorn. Menschen rufen durcheinander. Weil ich mich nicht tummeln will, schweige ich.