Muscheln im Gebirge

Leute, die, um zu illustrieren, dass die Dinge sich jederzeit in ihr Gegenteil verkehren können, darauf hinweisen, man habe im Gebirge Muscheln gefunden, sind mir suspekt.

Zum einen ist der Ozean nicht das Gegenteil des Gebirges, zum anderen kommen Muscheln auch in süßen Gewässern vor, warum also nicht im Gebirge? Und überhaupt hat man keine Muscheln, sondern lediglich ihre Schalen im Gebirge gefunden. Eine Binsenweisheit bleibt eine Binsenweisheit, auch wenn man sie vor ein imposantes Panorama stellt.

Durch eine Kränkung wird die vermeintliche Liebe zu Hass oder wenigstens zu Gleichgültigkeit und die Leute wollen nicht kleinlich erscheinen, deshalb vergleichen sie den Wandel ihres Herzens mit der Tektonik. Wer wäre nicht lieber eine Naturgewalt?

Ich. Aber mir sind nicht nur die Menschen suspekt, sondern auch die Muscheln. Es beunruhigt mich bereits, wenn die Dinge ein wenig ins Schwanken geraten. Wenn ich etwas Anderes sein müsste, wäre ich gern zart und zugleich zäh und biegsam und ein bisschen stachelig. Eine Binse zum Beispiel. Oder König Midas mit den Eselsohren.