Frau Doris Wagginer denkt, wie schön es wohl wäre, wenn sie die Welt aus dem Blickwinkel der Weberknechte in ihrem Badezimmer betrachten könnte. Eines dieser possierlichen Tiere trägt ein abgerissenes Beinchen und hält es unter seine Nase, um sich selbst mit der Vorstellung eines Schnurrbarts zu unterhalten. Der Weberknecht räuspert sich.
Frau Doris Wagginer hört, wie das Spinnentier mit verstellter Stimme spricht: „Denjenigen, die statt Gott sich Freunde nehmen, frevelhaft in ihrem Auftreten, unsittlich in ihrem Gebaren, werden wir unsere Wege zeigen – denn streben sie nicht nach dem, der Gunst bereitet, in ihrem Tun?“
Frau Doris Wagginer kann sich ein Kichern über das drollige Tier nicht verkneifen. Abrupt beendet der Weberknecht die Rede und blickt sie von unten eindringlich an. Frau Doris Wagginer versteht nicht und fühlt sich in ihrer Tierliebe missverstanden. „Ich liebe doch alle…alle Tiere…ah, ich liebe doch, ich setze mich doch dafür ein…!“
Frau Doris Wagginer spürt, dass ihr Röte in die Wangen steigt. Der Weberknecht lacht und applaudiert höhnisch. „Großartig, ganz großartig! Und jetzt willst du mir wohl erklären, du seiest noch nie in einem Zoo gewesen? Oder würdest beim Fleischkauf auf artgerechte Haltung achten, wie?“
Frau Doris Wagginer lässt sich nicht gerne in die Ecke drängen, fühlt sich zu einer Rechtfertigung genötigt. „Der Galgen gleicht dem Winterbaum“, hört sie sich sagen, „der Blutrubin der Rose.“
„Doch die Frage bleibt offen, meine Liebe“, sagt der Weberknecht, nachdem Frau Doris Wagginer Luft geholt hat, „liebst du, was tust? Oder tust du nur so?“
Frau Doris Wagginer lässt ein Kochbuch, in dem sie beim Stuhlgang gerne blättert, auf das Tier fallen. Dem Spinnentier bleibt nicht einmal die Zeit zu schreien, als es sein Leben unter dem weißen Einband aushaucht.