So ein schnappendes Geräusch, wie von einem Fallbeil für Kinderzehen. Niemand horcht auf, die Sorge um die Unversehrtheit der Zukunft berührt hier nicht. Funktionskleidung in gedeckten Farben. Dicht bis 7000 Irgendwas Wassersäule. Das hätte Lot brauchen können. Oder war das Lots Frau? Nein. Nur ein hagerer Mann in buntem Neopren betritt energischen Schrittes das Bahnhofslokal mit der automatischen Glastür. Die macht so ein leise schnappendes Geräusch, wie ein Fallbeilspiel für Kinder.
„Vererhrte Funktionskleidungsfunktionärinnen und Funktionskleidungsfunktionäre! Willkommen bei unserer kostenlosen Wassersäulengymnastik. Ein Serviceangebot von Standard & Poor, der Ratingagentur der Herzen. Mein Name ist Hubsi, und wir beginnen heute mit der Passivatmung!“
Ein Dienstmann mit rotem Käppchen verkriecht sich ängstlich unter einem der federleichten Bistrotische. Argwöhnisch beäugen ihn die Menschen an den Nachbartischen. Ich bin gar nicht sicher, ob es wirklich Menschen sind. Einige wirken wie biblische Gestalten aus Aladdins Räuberhöhle, andere wie billig gefertigte Imitate aus Alcantara oder Angora oder woraus immer die Kindersoldaten in Angola oder Alcatrazz oder Ankara in Friedenszeiten die Menschen herstellen, davon verstehe ich nun wirklich nicht das Geringste. An der Eingangstür Hubsi mit hochrotem Gesicht und bester Animateursmanier.
„Und Osmooose! Osmooose! Osmooose! Das kann jeder, groß und klein, arm und reich, Schurk und Scheich! Keine Drückebergerei, Sie da hinten! Wer nicht aspiriert, wird denunziert!“
Ergeben fügt sich der Dienstmann, gebrochener Blick über den hohlen Wangen. Ein paar schlurfende Schritte nach vorne mit hängenden Schultern, das Käppchen rot vor Scham. So ein leise schnappendes Geräusch, wie von einem herabfallenden Bleistift auf der Kellertreppe im Kinderheim. Herein stürmt Katerina Ambivalente in syrischer Armeekleidung, drei entkernte Pudel an einer Leine. In der rechten Hand Stalins Spielbeil.
„Bonitätsprüfung! Keine Bewegung!“
Ein kleiner Tumult entsteht, Atemmuster geraten durcheinander. Eine Gruppe tibetischer Mönche mit Transparenten springt hinter dem Tresen hervor. ‚Die Kreditwürde ist unantastbar‘. Ich schlucke das letzte Stückchen lauwarmer Rüblitorte hinunter und sehe mich nach einem Fluchtweg um. Nichts. Ich schlage die Fersen meiner Glitzerschuhe aneinander. So ein leise schnappendes Geräusch macht das, wie zum Beispiel ein Fangeisen für Feldmauskinder.
„Da! Da ist er! Haltet ihn! Da ist Bruno Absorbanski! Haltet ihn!“, rufen mit einem Mal die Gymnastiker im Chor. Erschrocken sehe ich mich um. Und wirklich, da steht er, groß gewachsen und mit wildem Blick, ganz wie auf den Fahndungsplakaten im Kaufhaus. Doch er lacht nur, hüllt mich in seinen Mantel aus Schweigen und drückt mich fest an seine Heldenbrust.