Udo steht vor dem Spiegel und zieht mit den Fingern die unteren Augenlider Richtung Kinn. Dazu macht er ein Geräusch wie ein Schlossgeist. Sein Gesicht hat die Farbe eines zweihundert Jahre alten Bettlakens. Udo streckt seinem Spiegelbild eine gelblich belegte Zunge heraus und knurrt.
Bei Udo klappt nie was. Egal, was er anfängt, immer hat es bereits ein anderer Udo besser, schöner, spannender oder wenigstens gleich gut gemacht. Der Schmerz darüber wird mit der Zeit weniger schneidend, doch die Wunde verheilt niemals.
„Ist ja witzig, unser voriger Fußballtrainer hieß auch Udo.“
„Ts. Udo. Mit dem Vornamen müssen Sie als Schlagersänger aber in ganz schön große Fußstapfen treten.“
„Was für ein Zufall! Ich kannte mal einen Udo und der war auch bei der Mordkommission.“
Irgendwann verlässt Udo jede Ambition und er geht Stempeln. Doch der Fluch verfolgt ihn bis aufs Amt.
„Wissen Sie was? Sie sind heute schon der dritte Udo, der zu mir kommt. Lustig, was?“
Udo bedankt sich leise für den Scheck und macht sich auf den Weg in die Einsiedelei. Dort, wo niemand ist, denkt er bei sich, kann auch kein anderer Udo sein.
Nach einer Weile erblickt er am Wegesrand ein Körbchen voller Pilze. Eine blaue Karte ist am Tragegriff befestigt. „Für Udo“ steht darauf. Gewohnheit und Enttäuschung stechen ihn mit heißen Nadeln in den Bauch. Bestimmt ist ein anderer Udo gemeint. Doch dann überlegt er es sich und entscheidet, dass die Pilze für ihn bestimmt sind. Beschwingt trägt er das Körbchen nach Hause und backt sich ein Omelett.
Die Pilze tanzen mit ihm, singen Udo-Lieder für ihn und preisen seine Einzigartigkeit. Bis zum Morgengrauen. Da erscheint ein dicker Pilz mit schiefer Kappe und deckt Udo zu. Später steht Udo vor dem Spiegel und zieht mit den Fingern die unteren Augenlider in Richtung Kinn.