Bis zum heutigen Tage herrscht unter Fachleuten wie Laien gleichermaßen Uneinigkeit über die Person Debussy. Was dem einen als Beweis für dessen Tätigkeit als Komponist im Frankreich des 19. Jahrhunderts gilt, tut der andere als Fälschung ab und pocht auf antike Steintafeln, in die Verfügungen des Pygmäenherrschers Debussi I. eingeritzt sein sollen, doch schon erscheint ein Dritter mit einem mittelalterlichen Kupferstich. So geht das immer weiter und das Einzige, worauf die Leute sich einigen können, ist die alljährliche Debussy-Sternfahrt nach Enghagen am Tabor, zu der meinen Großvater Juli für Juli die gesamte Familie begleiten musste.
Im Gegensatz zu den Reden schwingenden Akademikern und dazu applaudierenden Verehrern hatte mein Großvater ihn nämlich persönlich gekannt, den Lagerkommandanten Gernot Debusic. Ein kultivierter Mann mit Sinn für die schönen Künste und unschlagbar im Schach, wenn man meinem Großvater glauben wollte, der mit großem Eifer die Gefangenen-Eigentumsverwaltung geleitet hatte. Stundenlang konnte er erzählen, wie sie die Schwerkriminellen zur Räson gebracht hatten, denn nur die verdorbensten Charaktere gelangten zu ihnen, und die konnte man nicht mit Samthandschuhen anfassen. Mich schauderte in meinem eigenen Lager unter der Kücheneckbank.
Lagerkommandant Debusic war ein Teufelskerl, der sich nach einem feigen Überfall durch den zahlenmäßig haushoch überlegenen Feind, mit nichts weiter als einem Beutelchen Zahngold bis nach Panama durchschlug und dort bis ins hohe Alter unter dem Namen Charles Debussy mit Kakaobohnen und Devisen handelte. Immer wieder gelangten auf verschlungenen Wegen kleine Geschenke des Herrn Debussy zu mir. Mal die bunte Feder eines Vogels, mal ein Täfelchen herb schmeckender Schokolade, die ich unter der Eckbank verzehrte, während mein Vater brüllende Streits über den Wahrheitsgehalt der Geschichten mit dem Großvater austrug. Mich focht das nicht an. Ich summte kaum hörbar vor mich hin und fädelte Glasperlen auf, wie es die Frauen in unserer Familie seit Generationen tun.
Die Sternfahrt besuche ich bis heute, auch wenn ich um den Stand mit den Gernot-Debusic-Anhängern einen Bogen mache. Der jahrmarktartige Trubel weht mir durch den Kopf wie ein warmer Frühlingswind und ich lausche den Vorträgen in zahlreichen Sprachen über den Maler, Archäologen, Minnesänger, Ornithologen oder Friedensforscher Debussy. Bevor ich in der Abenddämmerung zurück unter meine Eckbank gehe, kaufe ich mir ein Stückchen Torte nach einem Originalrezept von Esther Debussy, der berühmtesten Konditorin in der Geschichte der Mittelmeerkreuzfahrt.