Wenn die Christenheit ungeduldig mit den Hufen scharrt und auf das große Fest der Auferstehung wartet, erinnere ich mich an meinen Vetter Waldo. Obwohl er einige Jahre älter war als ich, war mir seine frühe Kindheit bekannt, denn bei Familienfeiern war es üblich, stundenlang Super-8-Filme über ihn anzusehen, in denen jedes noch so kleine Malheur dokumentiert war. Es gab den Film, in dem Waldo von der Wickelkommode fällt, Waldo, wie er auf seinem Töfpchen sitzt und mit all seiner kindlichen Kraft versucht, eine Kotwurst hervorzupressen und natürlich Waldo, wie er vor Schmerzen brüllt, weil er seine speckigen Finger in einen Topf mit heißem Brei gesteckt hat. Denke ich an Waldo, erschafft mein Geist das Bild eines haarlosen Kleinkinds, dessen wasserblaue Augen voller Entsetzen um sich blicken. Man kann sich vorstellen, dass Waldo – den Tücken des Lebens schutzlos ausgeliefert und dabei stets vom Auge der väterlichen Kamera begleitet – kein glückliches Kind war. Sobald die Aufnahmen beendet waren, hagelte es Backpfeifen oder Schläge mit dem Gürtel und die Hemden wurden ihm direkt am Leib gebügelt. Als er älter wurde, plagten ihn Wahn und Seuchen. Das beste an Waldos Leben war seine Kürze. Und doch wurde er von allen geliebt, denn beim Begräbnis weinten alle bitterlich, als ein letztes Mal seine Filme im Pfarrhaus gezeigt wurden. Seither lebt die Familie in Angst und Schrecken vor seiner Auferstehung.