„Sicher nicht!“
Zwei Schriftsteller stehen unangenehm nah beieinander und mustern den Kampfeswillen des jeweils anderen.
„Sicher nicht“, äfft der zweite den ersten nach. „Bleib mir vom Leibe mit der Modernität! Gib mir ein Tintenfass und einen Gänsekiel!“
„Du weißt, dass das Quatsch ist, was du da sagst, oder? Ich behaupte ja nicht, dass wir nicht mit der Zeit gehen sollen – ich sage lediglich, dass ich nicht in einer Welt leben möchte, wo die Menschen niedrige Arbeiten für einen kargen Hungerlohn verrichten und die Maschinen Zeit und Muße haben, Bilder zu malen und Geschichten zu schreiben.“
Der zweite Schriftsteller schubst den ersten von sich weg. „Hör dich doch einmal an, hör, was für Wörter du für sie verwendest. ‚Maschinen‘! Wie entseelt das klingt.“
„Das ist doch genau der Punkt. Du tust gerade so, als hätten diese Dinger so etwas wie eine Seele. Da verweigere ich mich!“
„Da verweigerst du dich? Bist du nicht der erste, der jammert, wenn ihm etwas auf der Seele lastet? Müssen wir Leser dann nicht immer deine Auslassungen über den Sinn und Unsinn des Schaffensprozesses über uns ergehen lassen?“
„Nun ja …“
Der zweite nickt triumphierend. „Siehst du. Und ich habe nur gefragt, ob du dir Zeit nehmen würdest, das Gedicht meines neuen Handys anzuhören. Keine Beurteilung, keine zwölfseitige Kritik, nur einen Moment des Innehaltens.“
„Nun ja“, wiederholt der erste Schriftsteller, was der zweite als Zustimmung begreift und mit seltsam ergriffener Stimme raunt: „Sanft wehen Brisen / Zarter Blütenblättertanz / Frühling vernetzt sich.“
„Nun ja“, sagt der erste zum dritten Mal „ich habe schon weitaus schlechtere Gedichte gehört.“
Der zweite verstärkt das Nicken, ergreift die Hand des ersten zur Versöhnung. „Gehört? Ich habe sogar schon weitaus schlechtere Gedichte geschrieben. Freunde?“
„Freunde“, bestätigt der erste.