So lange liege ich nun schon hier, dass eine Staubsicht mein Gesicht bedeckt. Anfangs war sie fein, wie Puder, doch mit der Zeit buk sie fest, der Glasur auf einem Tongefäß gleich. Die ersten hundert Jahre vertraute ich darauf, es würde bald jemand nach mir sehen. Schließlich habe ich Freunde und Familie. Indes, niemand kam und ich verlor das Gefühl für die Zeit. Hunger und Verzweiflung ließen bald gelangweilt von mir ab. Mittlerweile passt mir mein Zustand recht gut und ich würde diese Geschichte gar nicht erzählen, wäre nicht vorhin etwas Eigenartiges geschehen.
Die Tür öffnet sich und eine dicke, blaue Perserkatze springt auf meinen Brustkorb. Sie blickt voller Neugier auf meine Maske aus Staub. Ich vernehme Trippelschritte, habe jedoch vergessen, wie man den Kopf dreht. Die Katze betastet meine Gesichtszüge misstrauisch mit den Pfoten und gurrt dabei aufgeregt. Ein Männlein nimmt neben mir Platz, krault die Katze am Hals und kichert lang, bis es schließlich husten muss.
„Na, wen haben wir denn da?“, fragt er gutgelaunt und kneift mich in die Wange. Wie die Schokoladenhülle einer Praline zerbricht die Maske zwischen seinen Fingern. Ich fühle mich an einen alten, großen Schmerz erinnert. Die Katze springt mit einem dramatischen Satz davon, nur um sich Augenblicke später neben dem Zwerg auszustrecken, was ihn noch kleiner erscheinen lässt.
Ich versuche, die beiden zu ignorieren, doch der Wicht piekt mich mit dem Finger in die Rippen und hopst im Sitzen auf meinem Bett auf und ab.
„Was für ein unausgegorener Plan, wie nur eine törichte Person ihn schmieden kann!“, ruft er. „Hier zu liegen und zu glauben, die Welt käme so zu einem Ende!“ Er lässt sich auf den Rücken fallen und strampelt lachend mit den Beinen. Wie eine Feder springt er wieder auf und schreit mir ins Ohr.
„Aber nun ist Schluss damit! Auf, auf! Es sind Dinge zu erledigen!“
Ich hole langsam Atem, möchte ihm widersprechen, ihn fortschicken. Bevor ich etwas sagen kann, schneidet er mir mit einem fröhlichen Winken das Wort ab. Er zaust mein Haar, hüpft hierhin und dorthin, pustet mir den Staub aus den Nasenlöchern und klopft mit einem Hämmerchen aus Gummi gegen meine Gelenke. Ich begreife, dass er nicht verschwinden wird. Resigniert spanne ich meine Muskeln an und rufe dem Körper die nötigen Bewegungen in Erinnerung. Während ich langsam aufstehe und mich strecke, spricht der Zwerg in einer toten Sprache zu der Katze.
Ich ziehe die Vorhänge zurück. Die belebte Straße ist verschwunden, auch vom Haus gegenüber ist nichts zu sehen. Vor meinen Augen erstreckt sich eine schmutzig-gelbliche Masse, einem unendlichen Mürbeteig gleich. Als sei die Welt zu einem Ende gekommen.
„Was für Dinge sind denn zu erledigen, Professor?“
Er rollt sich auf der Matratze herum und bleibt in koketter Pose liegen.
„Ah! Das war ein Trick. Ich wollte mich etwas hinlegen.“
Er kuschelt sich an die Katze und schließt die Augen.