Zahlen

Frieda Pelzfuß mag Zahlen. Zweihundertundacht zum Beispiel. Man kann sie mit Ziffern hinschreiben oder mit Buchstaben. Je nachdem wohnt eine unterschiedliche Logik in ihnen; oder, besser gesagt, die Logiken wohnen gemeinsam darin und schauen je nachdem zum Fenster heraus. An und für sich ist Frau Pelzfuß keine Freundin der Logik. Sie schätzt das Zwingende nicht. Wer wird schon gerne gezwungen? Manche, ja, die richten sich das so ein, dass sie den lieben langen Tag nicht überlegen müssen, was als nächstes zu tun ist, weil ein Zwang auf den anderen folgt. Das hat auch etwas für sich, erspart es einem doch das klebrige Grausen, wenn einen der Sog der Bedeutungslosigkeit packt und mit grimmiger Unentschlossenheit an den Haaren zerrt.

„So viel Zeit möchte ich mal haben, um mich mit solchen Problem beschäftigen zu können!“, rufen die Gezwungenen aus, wenn sie einen im zähen Ozean des Nichts stecken sehen. Oder: „Du hast einfach nicht genug zu tun!“ Als bestünde Zeit aus blinkendem Tand, den man nach Belieben anhäufen oder verprassen kann.

Knut Pelzfuß, einer von Friedas älteren Brüdern, hatte stets Wichtiges zu tun. Damit nicht genug, beschäftigte er sich in den wenigen Pausen damit, seine mannigfaltigen Tätigkeiten schneller erledigen zu können. „Um Zeit zu sparen“, erklärte er atemlos. Die gesparte Zeit bewahrte er in einem schmucken Kästchen auf.

Frieda hätte auch gern eine solche Kiste gehabt, aber da sie klein gewachsen und ungeschickt war, fiel ihr die Aufgabe zu, an einer windigen Straßenecke Maulaffen feilzuhalten. „Irgendjemand muss es ja machen“, sagte ihr Vater, „Und vergiss deine Mütze nicht.“

Manchmal befiel sie an der Ecke die Langeweile und sie versuchte ein paar Tanzschritte, die sie sich beim Frühstück ausgedacht hatte. So vergingen die Jahre, bis Knut Pelzfuß an der Hektik starb. Frieda erbte sein Hab und Gut.

Abends, vor dem Einschlafen, schüttelt sie das verzierte Gefäß und lauscht der Melodie der klappernden Augenblicke.